Aktuelle Situation und Kontext
Die Retail Investment Strategie (RIS), welche Mitte Mai 2023 von der europäischen Union als „Omnibus-Richtlinie" vorgestellt wurde, verfolgt das Ziel Kleinanleger sowie ihr Vertrauen in Kapitalmärkte zu stärken. Dies wird zu Anpassungen führen, die die gesamte Prozesskette von der Entwicklung, dem Vertrieb bis hin zum Management von Finanz- und Versicherungsprodukten betreffen wird.
Aktuelle EU-Statistiken zeigen, dass nur etwa 17% des Vermögens der privaten Haushalte in Finanzinstrumenten gehalten wurden, 40% der Europäer sind nicht davon überzeugt, dass die Anlageberatung, die sie von Finanzberatern und Vermittlern erhalten, in ihrem besten Interesse erfolgt. Zudem zahlen 45% der Kleinanleger höhere Gebühren als institutionelle Anleger. Durch die Änderung verschiedener bestehender Kapitalmarktregularien soll ein Umfeld geschaffen werden, das die Beteiligung von Kleinanlegern am Kapitalmarkt fördert, indem die Rahmenbedingungen für Investitionen angepasst werden. Dabei steht unter anderem der Zugang zu nachhaltigen und renditebringenden Anlageprodukten, transparente Marketingstrategien und die Vermeidung von Interessenskonflikten im Vordergrund.
Nachdem die Europäische Kommission Mitte Mai 2023 ihren Vorschlag zur Retail Investment Strategie vorgelegt hatte, berieten der Europäische Rat und das Europäische Parlament im Mai und Juni 2024 über ihre jeweiligen Positionen. Derzeit finden die Trilog-Verhandlungen zwischen Kommission, Parlament und Rat statt. Sobald diese abgeschlossen sind, wir der endgültige Text im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Mit einer Einigung ist aktuell nicht vor Mitte 2025 zu rechnen, sodass die finale Veröffentlichung für das dritte Quartal 2025 erwartet wird. Anschließend muss die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden, bevor sie in Kraft treten kann. Basierend auf dem dann veröffentlichten Richtlinientext, beginnen die Europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs) – darunter die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA), sowie die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) – mit der Ausarbeitung der Regulatorischen Technischen Standards (RTS). Diese Standards legen die konkreten Anforderungen fest, die Finanzinstitute einhalten müssen. Die Kommission hat anschließend die Möglichkeit Änderungen vorzunehmen, bevor die Umsetzung in nationales Recht erfolgt (wie es bei allen neuen Richtlinien oder Änderungen und Ergänzungen bestehender Richtlinien erforderlich ist).
Die zentralen Änderungen durch die EU RIS
Mit dem Ziel Eintrittsbarrieren zum Kapitalmarkt für Kleinanleger zu senken und Hindernisse zu beseitigen, zielt die EU Retail Investment Strategie darauf ab, bereits existierende Kapitalmarktregularien zu ergänzen um insbesondere
- Offenlegungsvorschriften zu aktualisieren,
- Einheitlichere Maßstäbe für die Bewertung von Finanzprodukten zu entwickeln,
- Sicherzustellen, dass Finanzberater die finanzielle Situation von Kleinanlegern sorgfältiger prüfen,
- Die Vermarktung von Finanzprodukten transparent zu gestalten,
- Die fachlichen Kenntnisse von Finanzberatern sicherzustellen und von Kleinanlegern zu stärken sowie
- Die Zusammenarbeit der zuständigen staatlichen Behörden mit den europäischen Aufsichtsbehörden zu stärken
Direkt betroffen sind dabei Finanzinstitute, welche Produkte auflegen, vertreiben und managen, die der MiFID und PRIIPs-Regulierung sowie für den Versicherungsbereich der IDD unterliegen.
Konsequenterweise hat das Inkrafttreten der Retail-Investment Strategie vielfältige Auswirkungen auf Banken, Asset Manager und Versicherungen.
Verbraucherperspektive im Fokus
Insgesamt ist die Verbraucherperspektive ein wesentlicher Fokus der Retail Investment Strategie. Dabei soll das Ziel, eine verbraucherfreundlichere Finanzlandschaft, in der neutrale Beratung, faire Kostenstrukturen und eine kontinuierliche Produktüberwachung im Mittelpunkt stehen, gefördert werden. So soll einerseits die Attraktivität von Investitionen für Kleinanleger gestärkt werden als auch ihr Vertrauen in die Finanzdienstleister. Der Verbraucherschutz für Kleinanleger wird durch eine Reihe von Maßnahmen gestärkt, die auf mehr Transparenz, faire Kostenstrukturen und eine bessere Absicherung vor Interessenkonflikten abzielen.
Zusammenfassung
Die Retail Investment Strategie (RIS) als Teil des „Aktionsplan Kapitalmarktunion“ der EU verfolgt das Ziel, den Zugang zu und das Vertrauen von Kleinanlegern in Kapitalmärkte zu stärken. Ihr weitreichender Umfang sieht Änderungen an einer Vielzahl bestehender Regularien vor (MiFID II, IDD, PRIIP, UCITS & AIFMD). Kontrovers diskutiert werden vorgeschlagene Anpassungen im Bereich der Provisionen und Produktverwaltung, doch auch in den Bereichen Offenlegung, Beratung, Anlegerschutz und Marketing sind Anpassungen geplant.
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Obwohl es noch einige Zeit dauert, bis die EU RIS-Verordnung in nationales Recht umgesetzt wird, sind die Auswirkungen weitreichend. Ein strukturiertes Vorgehen mit einer frühzeitigen Analyse und Folgenabschätzung ist dringend anzuraten, vor allem, wenn es noch Defizite bei der bisherigen Umsetzung der in den Anwendungsbereich der EU-RIS fallenden Vorschriften gibt.
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